Variationen über den Kolumbienplan
Von Carlos Fazio // Journalist und Schriftsteller, Uruguay/Mexiko
Über die »unvermeidliche Wendung«, die der Kolumbienplan unter der
Bush-Administration nehmen würde, konnte man in den vergangenen Monaten
viel lesen. Der Militärplan hat dabei auch Kritik innerhalb der
Vereinigten Staaten erfahren. Aber es wurde auch, und mit Recht, darauf
hingewiesen, daß Washington dem inneren kolumbianischen Konflikt gegenüber
nicht »neutral« sein kann. In diesem Punkt braucht man sich keine
Illusionen mehr zu machen. Der Plan wurde im Zwei-Parteien-Konsens
angenommen und ist Teil eines gewaltigen geostrategischen Projektes des
Pentagon und der multinationalen Konzerne, das der Logik der Expansion des
US-Finanzkapitals in Lateinamerika unterworfen ist. Diejenigen, die
zugunsten einer Veränderung dieser Politik argumentieren, berufen sich
angesichts des Risikos, im Herzen Südamerikas wie in Vietnam in einem
Sumpf zu versinken, auf den »Skeptizismus« von Henry Kissinger. Ihre
Position ist, daß der Kolumbienplan noch nicht einmal einer genauen
Prüfung durch diejenigen Kreise US-amerikanischer Politik standhalten
würde, die der in Panama und im Persischen Golf siegreichen
»Powell-Doktrin« anhängen. Positionen, die für eine Ersetzung der
militärischen Perspektive durch eine neue, auf den ökonomischen und
sozialen Aspekten basierende, Vision stehen, erweisen sich als schwach.
Der neue politische Diskurs versucht, die Intention zu verdecken, den
ganzen Subkontinent in die Kriegspläne einzubinden. Der Krieg soll auf die
gesamt Region ausgedehnt werden. Mit dieser Perspektive würde eine
Umwandlung des Kolumbienplans in einen »Andenplan« dem Projekt einen
umfassenderen Zusammenhang geben und die geostrategischen Pläne zweier
Bush-Administrationen (Vater und Sohn) in das Oval Office aufnehmen.
Aber gehen wir Schritt für Schritt vor. Der militärische Fokus der
Antidrogenpolitik der Vereinigten Staaten, die George Bush senior Anfang
der 90er Jahre einführte, hat sich als totaler Fehlschlag herausgestellt.
Seit dieser Zeit hat das Denken des Weißen Hauses und des US-Kongresses,
das auf der Annahme fußt, die Nachfrage nach Drogen hinge vom Angebot ab,
den Krieg in die Andenstaaten getragen. In ihnen nämlich befinden sich die
Zentren des Anbaus, der Produktion, der Verarbeitung und des Transportes
von Rauschgiften. Allerdings hatten die USA Kolumbien schon vorher in ein
Versuchslabor verwandelt, in dem sie ihre gewaltsame Politik der
Brandrodung von unerlaubten Anbauflächen erprobten. Vom dem Gift Paraquat
wechselte man zum Glifosat für das Marihuana und zum Garlon-4 für die
Koka, später wandte man sich noch giftigeren Vernichtungsmitteln wie dem
Imazapyr und dem Tebuthiuron zu. Im Jahr 2000 begann Washington im Rahmen
des Kolumbienplans, Druck auf Bogotá auszuüben, damit die kolumbianische
Regierung zur beschleunigten Ausrottung ein gefährliches, in Europa
umstrittenes Mittel anwende: den biologischen Stoff Fusarium Oxysporum,
ein genetisch gezielt veränderter Pilz. Aber die Strategie hatte keine
positiven Auswirkungen. Nach Angaben der Central Intelligence Agency (CIA)
hat sich die Vernichtung der Anbauflächen als unbedeutend herausgestellt.
1981 hatte Kolumbien 25000 Hektar mit Marihuana und Koka bepflanzte
Anbaufläche, 2001 wird auf 120000 Hektar Koka angebaut. Auch die
Produktion von Heroin und Kokain ist angewachsen. Dieses Phänomen hat die
Entstehung einer neuen reichen und gewalttätigen Schicht erlaubt, die
Kolumbien heute im Bündnis mit der einheimischen Oligarchie zu einem
Mafia-Staat gemacht hat. Andererseits hat es auf der Seite der Nachfrage
ebenfalls keine positive Entwicklung gegeben. Der US-Markt ist mit derzeit
schätzungsweise 14 Millionen Konsumenten im Wachsen begriffen. Trotzdem
würde diese Perspektive der Analyse wackelig bleiben, wenn wir nicht die
andere Seite des »Drogenkrieges« des Weißen Hauses betrachten würden: die
militärische Komponente. Sehr schnell nach dem Ende des Kalten Krieges
ersetzten der Militärisch-Industrielle Komplex, die Strategen des Pentagon
und die CIA das »kommunistische Gespenst« durch einen neuen modischen
Feind, die »Drogenguerilla«. Im Fall Kolumbiens wird dieses Etikett
benutzt, um angesichts enger Bindungen der FARC zum Volk und ihrer
bedeutenden militärisch-politischen Fortschritte in den letzten Jahren den
Interventionismus der Vereinigten Staaten zu rechtfertigen. Dies ist der
heimliche Hintergrund des Kolumbienplans, den das Pentagon mit dem
Scheinargument des Kampfes gegen den Drogenhandel zu rechtfertigen sucht.
Ein Vorwand, mit dem die USA auch die Präsenz von 400 militärischen
»Beratern« und 70 privaten Söldnern - Experten in Sachen
Dschungeltraining, Radaroperationen, Funkkommunikation und
Luftaufklärungsmissionen - erklären. Die These dient auch als Deckmantel
für die Flüge der Spionageflugzeuge AWACS und Orion des nordamerikanischen
Verteidigungsministeriums. Der Kolumbienplan ist Ausdruck des heutigen
räuberischen Kapitalismus. Dieser sucht Stabilität in der hegemonialen
Akkumulation des Finanzkapitals und neuen Eroberungskriegen. Zusammen mit
der geostrategischen Neupositionierung des Pentagon in der Region zielt
der US-Interventionismus in Kolumbien auf die Förderung der Interessen der
transnationalen Erdöl-, Kohle- und agroindustriellen Konzerne und darauf
ab, sich schließlich die Natur und das Wasservorkommen der Amazonasregion
anzueignen. So hängt die zwangsweise Umsiedlung der bäuerlichen
Bevölkerung mit einer neuen Konzentration des Bodens in den Händen von
Großgrundbesitzern zusammen. Es handelt sich um eine kombinierte Offensive
des Pentagon, der Monopole und der kolumbianischen Oligarchie, die auf
eine Ausrottung der Reste der Bauernwirtschaft ausgelegt ist, um neue
Privatisierungen und eine Gegen-Agrarreform zugunsten der lokalen
Großgrundbesitzer anzuregen. Agroindustrien und Multinationalen, die sich
mit dem Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen beschäftigen, sollen
neue Ressourcen geschaffen werden. Darum muß die Guerilla- und
Volksbewegung in Kolumbien militärisch und politisch zerschlagen werden.
Und danach werden Venezuela, die Landlosen Brasiliens, die bolivianischen
Kokabauern und jede Form organisierten Widerstandes gegen die Auswirkungen
des Kapitalismus und seines neoliberalen Modells in Amerika folgen.
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