junge Welt - 17.06.2001
(März - Juni 2001)
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Der Stein auf dem Weg

Der Staatsterrorismus ist seit fünf Jahrzehnten ein integraler Bestandteil der offiziellen Politik des kolumbianischen Staates. Er wird durch das nordamerikanische Imperium, den kolumbianischen Staat, seine jeweilige Regierung und die herrschende Klasse durchgesetzt. Eines seiner wichtigsten Werkzeuge sind die Paramilitärs, die in seinem Auftrag einen schmutzigen Krieg führen. Die Masken, unter denen dieser Krieg im Verlaufe der Geschichte unseres Landes stattfand, waren verschieden. Die Ziele jedoch waren immer gleich, Sicherung und Schutz der Machenschaften der offiziellen Behörden. Angesichts der sozialen Protestbewegungen und des Kampfes, den die Kolumbianerinnen und Kolumbianer unter Nutzung legaler Wege aber auch durch bewaffneten Widerstand zur Durchsetzung ihrer Grundrechte führen, ist der Paramilitarismus zur wichtigsten Waffe geworden, um Widerstand durch Terror zu unterdrücken. Untersuchungen unterschiedlichster Institutionen belegen inzwischen, daß die Paramilitärs nichts anderes sind als der verlängerte Arm der offiziellen Streitkräfte /1 - 2/. Das Hauptziel des Staatsterrorismus und seiner paramilitärischen Werkzeuge besteht in der Enteignung von Kleinbauern und ihrer Vertreibung aus ihren Dörfern. Damit sollen die Latifundien vergrößert, die Herrschaft über das Land aufrecht erhalten und Bereicherung durch Spekulation gefördert werden. So besitzen in Kolumbien 1,5 Prozent der Landeigentümer 80 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen. Die Angaben über Gewaltakte müssen nicht weiter analysiert werden, um zu erkennen, daß die Hauptlast ein Volk trägt, das Ziel zahlloser Menschenrechtsverletzungen ist, die von selektiven Ermordungen bis hin zu kollektiven Massakern gehen. Diese Verbrechen werden unter dem Vorwand begangen, daß die Logik des Krieges herrsche. Tatsächlich sind sie jedoch nichts anderes sind als die systematische Entwicklung staatlicher Terrorpolitik. Im Jahre 2000 wurden pro Tag ein Verschwundener und acht widerrechtlich Hingerichtete gezählt, alle zwei Tage wurde ein Mensch wegen »Nutzlosigkeit« umgebracht /3/ - ein Akt, der im faschistischen Sprachgebrauch als »soziale Säuberung« bezeichnet, von der Polizei ausgeführt und von Industriellen und Händlern finanziert wird. 80 Prozent der gewaltsamen Todesfälle aus politischen Gründen, die im Jahr 2000 registriert wurden, gehen auf das Konto von staatlichen Auftraggebern. Im Vergleich dazu sterben täglich vier Menschen direkt in kämpferischen Auseinandersetzungen, was zeigt, daß der Krieg in Kolumbien nicht die Ursache, sondern die Folge der gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Gewalt ist, die von den Machthabern gegenüber unserem Volk ausgeübt wird. Es gibt schon viele Orte unseres Landes, die wegen Massakern der Paramilitärs traurige Berühmtheit erlangt haben. So z.B. Chengue (in Sucre), el Salado (in der Provinz Bolívar) und Nueva Venecia sowie Cienaga (im Tal von Magdalena) insgesamt über 70 Toten. Dazu kommt die Ermordung von Bürgerrechtsführern und anderen Vertretern der Bevölkerung. Obwohl es genügend Beweise für die direkte Beteiligung von Militär an Massakern gegen die Zivilbevölkerung gibt, werden keine Maßnahmen ergriffen, um die Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen. So wurden z.B. am 15. August 2000 sechs Minderjährige auf dem Schulweg von Angehörigen der IV. Armeebrigade ermordet. Die Mörder ignorierten das Flehen der Betroffenen, sie zu verschonen, da sie nur Schüler seien. Ein Opfer starb, da ihm medizinische Hilfe verwehrt wurde. Um die Guerilla bei der Bevölkerung in Mißkredit zu bringen, verkündeten die Militärs anschließend, Guerillakämpfer hätten das Massaker verübt.

Ein weiteres Ergebnis paramilitärischer Aktionen sind die gewaltsamen Vertreibungen von mehr als zwei Millionen Kolumbianern. Allein in den vergangenen zwölf Monaten wurden 300000 Menschen aus ihren Dörfern vertrieben. Diese Menschen haben keine andere Wahl, als in den Elendsvierteln der städtischen Zentren zu leben. Durch die Vertriebenen werden diese Viertel noch dichter bevölkert. Arbeitslosigkeit, Mangel an Wohnungen, Bildung und Gesundheit sowie Hunger nehmen dort ständig zu. Einigen wenigen, die »größeres Glück« hatten, ist es gelungen, ins Ausland zu entkommen. Doch dort, im Exil, leiden sie unter der Sehnsucht nach ihrer Heimat.

Ein deutlicher Beweis des Staatsterrorismus sind die schmerzlichen Ereignisse um die Patriotische Union. Die Patriotische Union wurde 1985 als legale politische Organisation auf Vorschlag der FARC gegründet. Nach ihrem ersten Wahlkampf erhielt sie großen Zuspruch bei der Bevölkerung. Daraufhin wurden innerhalb von zehn Jahren mehr als 5000 Mitglieder der Patriotischen Union durch staatliche und parastaatliche Unterdrückungsorgane ermordet. Es war politischer Völkermord - als solcher anerkannt und verurteilt vom Interamerikanischen Gericht über Menschenrechte der OAS.

Diese Realität darf bei der Errichtung eines neuen Kolumbiens nicht unberücksichtig bleiben. Die Verantwortlichen müssen bestraft werden. Der Prozeß des Dialogs, Weg zur Schaffung einer neuen Gesellschaft, steht auf wackligen Fundamenten, wenn er sich entwickelt und Fortschritte macht, ohne allgemein und definitiv das Problem des Staatsterrorismus und seines liebsten Werkzeuges des Paramilitarismus gelöst zu haben.

Die Literatur

1. Columbia Nunca Más, de Justicia y Paz y otros.-Colombia, 2000.
2. Terrorismo de Estado en Colombia, NCOS y otros. Belgien, 1993.
3. NGO und zivilgesellschaftliche Organisationen Kolumbiens: Dokument für die 57 // Beratung der Menschenrechtskommission der UNO.-März 2001.

 

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