Der Stein auf dem Weg
Der Staatsterrorismus ist seit fünf Jahrzehnten ein integraler
Bestandteil der offiziellen Politik des kolumbianischen Staates. Er wird
durch das nordamerikanische Imperium, den kolumbianischen Staat, seine
jeweilige Regierung und die herrschende Klasse durchgesetzt. Eines seiner
wichtigsten Werkzeuge sind die Paramilitärs, die in seinem Auftrag einen
schmutzigen Krieg führen. Die Masken, unter denen dieser Krieg im Verlaufe
der Geschichte unseres Landes stattfand, waren verschieden. Die Ziele
jedoch waren immer gleich, Sicherung und Schutz der Machenschaften der
offiziellen Behörden. Angesichts der sozialen Protestbewegungen und des
Kampfes, den die Kolumbianerinnen und Kolumbianer unter Nutzung legaler
Wege aber auch durch bewaffneten Widerstand zur Durchsetzung ihrer
Grundrechte führen, ist der Paramilitarismus zur wichtigsten Waffe
geworden, um Widerstand durch Terror zu unterdrücken. Untersuchungen
unterschiedlichster Institutionen belegen inzwischen, daß die Paramilitärs
nichts anderes sind als der verlängerte Arm der offiziellen
Streitkräfte
/1 - 2/.
Das Hauptziel des Staatsterrorismus und seiner
paramilitärischen Werkzeuge besteht in der Enteignung von Kleinbauern und
ihrer Vertreibung aus ihren Dörfern. Damit sollen die Latifundien
vergrößert, die Herrschaft über das Land aufrecht erhalten und
Bereicherung durch Spekulation gefördert werden. So besitzen in Kolumbien
1,5 Prozent der Landeigentümer 80 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren
Flächen. Die Angaben über Gewaltakte müssen nicht weiter analysiert
werden, um zu erkennen, daß die Hauptlast ein Volk trägt, das Ziel
zahlloser Menschenrechtsverletzungen ist, die von selektiven Ermordungen
bis hin zu kollektiven Massakern gehen. Diese Verbrechen werden unter dem
Vorwand begangen, daß die Logik des Krieges herrsche. Tatsächlich sind sie
jedoch nichts anderes sind als die systematische Entwicklung staatlicher
Terrorpolitik. Im Jahre 2000 wurden pro Tag ein Verschwundener und acht
widerrechtlich Hingerichtete gezählt, alle zwei Tage wurde ein Mensch
wegen »Nutzlosigkeit« umgebracht
/3/ - ein
Akt, der im faschistischen
Sprachgebrauch als »soziale Säuberung« bezeichnet, von der Polizei
ausgeführt und von Industriellen und Händlern finanziert wird. 80 Prozent
der gewaltsamen Todesfälle aus politischen Gründen, die im Jahr 2000
registriert wurden, gehen auf das Konto von staatlichen Auftraggebern. Im
Vergleich dazu sterben täglich vier Menschen direkt in kämpferischen
Auseinandersetzungen, was zeigt, daß der Krieg in Kolumbien nicht die
Ursache, sondern die Folge der gesellschaftlichen, politischen und
ökonomischen Gewalt ist, die von den Machthabern gegenüber unserem Volk
ausgeübt wird. Es gibt schon viele Orte unseres Landes, die wegen
Massakern der Paramilitärs traurige Berühmtheit erlangt haben. So z.B.
Chengue (in Sucre), el Salado (in der Provinz Bolívar) und Nueva Venecia
sowie Cienaga (im Tal von Magdalena) insgesamt über 70 Toten. Dazu kommt
die Ermordung von Bürgerrechtsführern und anderen Vertretern der
Bevölkerung. Obwohl es genügend Beweise für die direkte Beteiligung von
Militär an Massakern gegen die Zivilbevölkerung gibt, werden keine
Maßnahmen ergriffen, um die Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen. So
wurden z.B. am 15. August 2000 sechs Minderjährige auf dem Schulweg von
Angehörigen der IV. Armeebrigade ermordet. Die Mörder ignorierten das
Flehen der Betroffenen, sie zu verschonen, da sie nur Schüler seien. Ein
Opfer starb, da ihm medizinische Hilfe verwehrt wurde. Um die Guerilla bei
der Bevölkerung in Mißkredit zu bringen, verkündeten die Militärs
anschließend, Guerillakämpfer hätten das Massaker verübt.
Ein weiteres Ergebnis paramilitärischer Aktionen sind die gewaltsamen
Vertreibungen von mehr als zwei Millionen Kolumbianern. Allein in den
vergangenen zwölf Monaten wurden 300000 Menschen aus ihren Dörfern
vertrieben. Diese Menschen haben keine andere Wahl, als in den
Elendsvierteln der städtischen Zentren zu leben. Durch die Vertriebenen
werden diese Viertel noch dichter bevölkert. Arbeitslosigkeit, Mangel an
Wohnungen, Bildung und Gesundheit sowie Hunger nehmen dort ständig zu.
Einigen wenigen, die »größeres Glück« hatten, ist es gelungen, ins Ausland
zu entkommen. Doch dort, im Exil, leiden sie unter der Sehnsucht nach
ihrer Heimat.
Ein deutlicher Beweis des Staatsterrorismus sind die schmerzlichen
Ereignisse um die Patriotische Union. Die Patriotische Union wurde 1985
als legale politische Organisation auf Vorschlag der FARC gegründet. Nach
ihrem ersten Wahlkampf erhielt sie großen Zuspruch bei der Bevölkerung.
Daraufhin wurden innerhalb von zehn Jahren mehr als 5000 Mitglieder der
Patriotischen Union durch staatliche und parastaatliche
Unterdrückungsorgane ermordet. Es war politischer Völkermord - als solcher
anerkannt und verurteilt vom Interamerikanischen Gericht über
Menschenrechte der OAS.
Diese Realität darf bei der Errichtung eines neuen Kolumbiens nicht
unberücksichtig bleiben. Die Verantwortlichen müssen bestraft werden. Der
Prozeß des Dialogs, Weg zur Schaffung einer neuen Gesellschaft, steht auf
wackligen Fundamenten, wenn er sich entwickelt und Fortschritte macht,
ohne allgemein und definitiv das Problem des Staatsterrorismus und seines
liebsten Werkzeuges des Paramilitarismus gelöst zu haben.
Die Literatur
1. Columbia Nunca Más, de Justicia y Paz y otros.-Colombia, 2000.
2. Terrorismo de Estado en Colombia, NCOS y otros. Belgien, 1993.
3. NGO und zivilgesellschaftliche Organisationen
Kolumbiens: Dokument für die 57 // Beratung der Menschenrechtskommission
der UNO.-März 2001.
|