Der Weg von Los Pozos
Am 9. Februar diesen Jahres wurde zwischen der Regierung Pastrana und
den FARC das Abkommen von Los Pozos unterzeichnet. Das Dokument greift in
13 Punkten die größten Hemmnisse des Dialoges mit der Regierung auf und
soll so der Ausgangspunkt für Gespräche auf einer neuer Ebene werden.
Beide Seiten brachten während der Verhandlungen ihren Willen zum Ausdruck,
den Friedensprozeß weiterzuführen, in dem es um die Lösung des Konflikts
auf dem Wege des Dialogs geht. Das Ziel ist ein starkes Kolumbien, in dem
die soziale Gerechtigkeit keine Worthülse ist.
Manuel Marulanda und das Sekretariat des Zentralen Generalstabes der
Guerillaorganisationen bewiesen, daß sie nicht nur die Kriegskunst
beherrschen, sondern daß sie auch erfahrene Politiker sind und die
Fähigkeit besitzen, ein Klima zu schaffen, das eine positive Auswirkung
auf die unmittelbaren und zukünftigen Geschicke der Nation hat. Die
Vorschläge, die am 17. Januar den Mitgliedern der Nationalen Dialogtische
und des Thematischen Komitees vorgestellt wurden, bildeten das Ende einer
langen Reihe von politischen und diplomatischen Aktivitäten, die der
Regierung deutlich machten, daß sie mit der Erpressung gegenüber den
FARC-EP keinen Erfolg hatte.
Präsident Pastrana verstand die Botschaft, und mit einer
staatsmännischen Geste faßte er den Entschluß, die Guerillaführer in der
entmilitarisierten Zone am ständigen Sitz des Dialogs, Villa Nueva
Colombia im Ortsteil Los Pozos der Gemeinde San Vicente del Caguán,
Departement Caquetá, aufzusuchen.
Präsident Pastrana und Comandante Marulanda definierten
Errungenschaften und Schwächen des bis heute zurückgelegten Weges und
machten deutlich, daß die Bemühungen um eine nationale Versöhnung nicht
aufgegeben sind. Sie stimmten darin überein, daß es wichtig ist, in den
Diskussionen über die Mechanismen zur Ausschaltung des Paramilitarismus
und zur Verringerung der Intensität des Konflikts voranzukommen.
Die Blockierung des Dialogs wurde durch das Abkommen überwunden, es
wurden Kommissionen geschaffen, die bei der Klärung beunruhigender
Situationen helfen. Die Parteien und politischen Bewegungen wurden nach
diesen Gesprächen zu einem Treffen in Los Pozos eingeladen, damit sie der
Entwicklung zu Dynamik verhelfen. Man ging noch weiter und richtete die
Einladung an alle Persönlichkeiten und nationalen Organisationen, die sich
noch skeptisch verhalten, wenn es um den Meinungsaustausch über den
Beitrag aller Kolumbianer zur nationalen Versöhnung geht.
Dabei wurde der Beitrag definiert, den die internationale Gemeinschaft
zum Frieden zwischen den Kolumbianern leisten kann, und es wurden
Mechanismen geschaffen, um sie auf dem laufenden zu halten, beispielsweise
wird es regelmäßige Einladungen nach Los Pozos geben, um die erreichten
Fortschritte zu erörtern.
Auch wurde klargestellt, daß sich die FARC nicht gegen die manuelle
Beseitigung und Bekämpfung illegaler Anpflanzungen wenden, daß das aber in
Übereinkunft mit den Gemeinden erfolgen muß, die zu dieser Form des
Überlebens gezwungen werden. Die Regierung und die FARC stimmen darin
überein, daß dem Schutz und der Wiederherstellung der Umwelt strategische
Bedeutung zukommt. Beide Seiten riefen ganz Kolumbien dazu auf, sich für
den Friedensprozeß zu engagieren.
Man kann neuen Atem schöpfen, aber die Gefahren, die den Prozeß
bedrohen, sind noch nicht gebannt. Dessen sind sich die FARC bewußt und
hoffen, daß auch die Regierung, die internationale Gemeinschaft und die
fortschrittlichen Kräfte, die den Prozeß begleiten, das so verstehen. Für
den Augenblick sind die reaktionären Kräfte auf nationaler Ebene
gezwungen, ihre Krallen zu verbergen, die sie während dieser zwei Jahre
laufenden Gespräche immer wieder gezeigt haben. Sie wissen, daß sie eine
Schlacht verloren haben und sind auf der Lauer in Erwartung einer
günstigeren Gelegenheit, die sie herbeiführen werden, indem sie auf die
Provokation, ihre bevorzugte Waffe, zurückgreifen.
Aber sie werden auch weiterhin den Paramilitarismus und mit ihm eine
Art vorbeugender Konterrevolution unterstützen, die sich faschistischer
Machtmechanismen bedient. Unterstützung erfährt der Paramilitarismus nicht
nur seitens des Staates, sondern auch durch Teile des Finanzkapitals,
Großgrundbesitzer, Mitglieder der Liberalen und der Konservativen Partei
und Kreise der kleinbürgerlichen Intelligenz, vermengt mit der
Drogenmafia, die den Militärapparat des Staates mit dem Versuch in ihren
Dienst stellen, das Vordringen der Guerillabewegung aufzuhalten. Diese
innere kolumbianische Reaktion fühlt sich durch die politische,
ökonomische, militärische, diplomatische und moralische Hilfe ermuntert,
die ihr von ihren Gesinnungsgenossen in den USA zuteil wird mit dem jetzt
der Kritik ausgesetzten, aber nicht von der Tagesordnung genommenen
Kolumbienplan - unverhüllter Ausdruck der Einmischung der Gringos in die
inneren Angelegenheiten eines Landes, das angeblich souverän ist.
Die Aufgabe der Gegenwart ist, die militärische Komponente dieses
Planes zum Scheitern zu bringen. Bisher haben die Rundreisen hoher
Funktionäre der vorigen USA-Regierung für die Formierung einer
multinationalen Interventionsstreitkraft, die direkt in Kolumbien
eingreifen soll, keinen Erfolg gehabt, weil sich die lateinamerikanischen
Regierungen mit Ausnahme der ecuadorianischen nicht in diese gefährliche
Situation hineinziehen ließen.
Der ungewöhnliche kolumbianische Friedensprozeß zieht die
Aufmerksamkeit der Europäischen Union auf sich, die die besonnenen
Vorschläge der FARC-EP hoch einschätzt, was die Ersetzung und manuelle
Vernichtung der Drogenkulturen betrifft, die im Entwurf des Pilotplanes
für Cartagena del Chairá enthalten sind. Diesem Beispiel sollten die USA
folgen, denen die Legalisierung der Droge vorgeschlagen wurde, als Mittel,
um die skandalösen Gewinne zu kürzen und die Händler zu demotivieren. Die
Europäer und die lateinamerikanischen Regierungen sehen, daß Abkommen wie
das von Los Pozos nicht nur zur Versöhnung unter den Kolumbianern
beitragen, sondern daß die ganze Menschheit Nutzen haben kann, wenn sie
ernsthaft an der Lösung eines Problems arbeitet, das nicht nur ein
kolumbianisches ist, wie der Drogenhandel, den die USA im politischen
Interesse gegen die FARC benutzen. Solange die USA auf ihrer starren
Position der Hilfe für die innere Reaktion beharren, wird die
Konfrontation alle Bereiche umfassen, obgleich die FARC-EP den Dialog
vorziehen.
Und dazu ermuntert uns jetzt die Anwesenheit enthusiastischer
internationaler Unterstützer, die im Gegensatz zu den USA an den Prozeß
glauben und ihn begleiten wollen, wie sich bei dem Treffen der
Dialogtische mit den Vertretern von 28 Ländern am 8. März in Los Pozos
zeigte, bei dem die Respektierung der Souveränität und Selbstbestimmung
Kolumbiens an erster Stelle stand.
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