Deutschsprachigen kolumbianischen Zeitschrift der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens - Armee des Volkes (FARC-EP).-
30.01.2001.-Nr 25 (November 2000 - Februar 2001)

<Die Ökonomik

Der Neoliberalismus: Ein Modell schlägt tiefe Wunden

Die Tore zum neuen Jahrhundert öffnen sich zaghaft, wie um Entschuldigung bittend für die von den Aposteln des Neoliberalismus verratenen Hoffnungen der Völker unseres Kontinents. Sich öffnende Tore, durch die helles Licht fällt auf die verheerenden Schäden von mehr als zwei Jahrzehnten, die von den enormen Transformationen geprägt waren, die unsere Länder durch die Einführung des neoliberalen Modells erlitten haben.

Die doktrinären Eckpfeiler dieses Modells wurden im 18. Jahrhundert errichtet, als Adam Smith die Grundprinzipien des Liberalismus aufstellte. Einerseits lehrte das Prinzip des Laissez faire, daß der Staat so wenig wie möglich in die wirtschaftliche Tätigkeit eingreifen und dem Markt die Entscheidungen überlassen sollte, andererseits verlieh das Konzept der »unsichtbaren Hand« von Smith jedem Individuum die Freiheit, zum eigenen Nutzen so zu handeln, daß der Markt sich der Aufgabe annehmen würde, »zum Nutzen aller« zu wirken.

Diese Eckpfeiler greift das neoliberale Modell mit neuer Kraft auf, das in den letzten 20 Jahren auf unserm Kontinent angewendet wird. »Politik der Preisstabilisierung«, »Haushaltsanpassungen«, »freie Mobilität der Waren und Kapitale«, »Deregulierungspolitiken«, »Privatisierung öffentlicher Unternehmen«, »Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse« usw. sind Wörter, die unsere Völker in den letzten Jahren vernommen, diese Prozesse aber vor allem erlitten haben.

Der Staat kümmerte sich im Namen der Verbesserung von Wettbewerbsbedingungen und Effizienz durch den Markt nicht mehr um die produktiven Bereiche, die für sein Land strategische Bedeutung haben, und privatisierte die wichtigsten Ressourcen wie Erdölproduktion, Energieerzeugung, Bergbau und Kommunikationswesen. Der Staat schrumpfte und entledigte sich seiner sozialen Verpflichtungen in Bereichen wie Bildung und Gesundheit. Allerdings war dieses Schrumpfen begleitet von einer Ausweitung der großen privaten Unternehmen in den übrigen Wirtschaftszweigen, wo sie ihre Profite maximieren können. Wieder einmal wurden die Verluste vergesellschaftet und die Gewinne privatisiert.

Die perverse Logik des Marktes in den Ländern, wo sich der Staat nicht mehr um die Völker kümmert, bedeutet eine immer regressivere Einkommensverteilung und bringt innerhalb des Systems widerstreitende Kräfte hervor, die deutlich machen, daß das Modell auf mittlere Sicht nicht durchführbar ist. Das neoliberale Modell hatte die Hegemonie des wirtschaftlichen Wettbewerbs auf den Märkten ohne Intervention des Staates zur Folge.

Die Kosten dieses Modells zahlten die am wenigsten Bemittelten. Die Haushaltsanpassungen bedeuteten, die Ausgaben des Staates für Bereiche wie Bildung, Gesundheit und Löhne im öffentlichen Sektor zu senken, aber niemals führten sie zur Streichung der Subventionen für privatisierte Betriebe oder ließen die Anregung von Investitionen zur Senkung der Lohnkosten außer acht, die die Privatunternehmen bei der Einstellung von Arbeitskräften beachten sollen.

Die freie Bewegung von Gütern und Kapitalen hatte zur Folge, daß die Grenzen für Importe geöffnet wurden, die viele der einheimischen Klein- und Mittelbetriebe ruinierten, die einem großen Teil der Bevölkerung Arbeit gegeben hatten.

Die Privatisierung öffentlicher Betriebe nahm dem Staat nicht nur die strategische Kontrolle über die Grundressourcen für die Entwicklung unserer Länder, sondern führte auch zu Prozessen des sozialen Ausschlusses in ungeheurem Ausmaß, indem viele Beschäftigte des öffentlichen Sektors arbeitslos wurden.

Die Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse war nichts anderes als die Deregulierung der Arbeitsgesetzgebung, die die Werktätigen geschützt hatte. In vielen unserer Länder wurden die Gewerkschaften zerstört, und es gingen alle Errungenschaften verloren, die die Werktätigen über Jahre erkämpft hatten. Die Arbeitszeit, der Urlaub, die Überstunden, der Mindestlohn wurden nach dem Willen der Unternehmen gestaltet ohne jede Sanktion. Nicht nur die Arbeitsgesetzgebung wurde flexibilisiert, sondern eine buchstäbliche »Reservearmee« von Millionen Arbeitslosen wird spekulativ von den Unternehmen benutzt, um gegen die Rechte der noch Beschäftigten vorzugehen.

Auch in Kolumbien konnte der Markt die »Versprechungen« des Modells nicht erfüllen. Das Bruttoinlandsprodukt fällt seit sechs Jahren, und in den 90er Jahren insgesamt wuchs es nur um 2,6 Prozent/1/, doch wenn man vom Pro-Kopf-Produkt ausgeht, war das Wachstum noch geringer, kaum 0,7 Prozent. Das heißt, das Bevölkerungswachstum war höher als die Produktionskapazität des Landes.

Die Arbeitslosigkeit erfaßte 1999 mehr als 20 Prozent der ökonomisch aktiven Bevölkerung./2/ Niemals ist in Südamerika in den letzten zehn Jahren ein solches Niveau der Arbeitslosigkeit erreicht worden. Und überdies bewies das Modell eine große Fähigkeit, die Reichen noch reicher und die Armen noch ärmer zu machen. Die Einkommensverteilung wird immer ungleicher. Ende der 90er Jahre erhielten die 20 Prozent Reichsten unter den Kolumbianern ein Einkommen, das fast 13mal höher war als das der 20 Prozent Ärmsten. Und während die übergroße Mehrheit der Kolumbianer die Konsequenzen dieses neoliberalen Modells erduldet, erhöhte sich die Last der Auslandsverschuldung des Landes in den letzten fünf Jahren um fast 50 Prozent im Vergleich zum BIP./3/ Zu allem übrigen wendete die kolumbianische Regierung 1999 5,3 Prozent des BIP für die Zahlung von Zinsen auf./4/

Die Unzufriedenheit ist unübersehbar. Eine kürzlich von einem nationalen Meinungsforschungsinstitut durchgeführte Befragung zeigt, daß 67 Prozent der Familienoberhäupter einschätzen, daß sich ihre wirtschaftliche Lage in den letzten Monaten verschlechtert hat.

Im ganzen erkennen wir an der Schwelle eines neuen Jahrhunderts die Verwüstungen, die der Neoliberalismus nicht nur auf unserm Kontinent angerichtet, sondern der ganzen Menschheit zugefügt hat. Ein Erbe, das von Armut und Ungleichheit gezeichnet ist, wie sie nie zuvor inmitten von so viel natürlichem und technologischem Reichtum gesehen wurden./5/

Aber Veränderungen kündigen sich an, die Hoffnungen neuer Art in jedem unserer Länder wecken. Straßenblockaden und soziale Protestaktionen in Chile und Argentinien, Bauernbewegungen in Paraguay, Kämpfe der Landlosen und Hunderte von Bмrgermeistereien, die für die Arbeiterpartei und die Linke in Brasilien gewonnen wurden, zeugen davon. Aufstände der Indigenas und Bauern in Ekuador und Bolivien, die Konsolidierung der Linken in Uruguay, die bolivarianische Revolution in Venezuela und die Volksarmee der FARC in Kolumbien an der Spitze des sozialen und politischen Kampfes sind die Grundlagen dieses Weges.

1 Nach Angaben der CEPAL.
2 Nach jüngsten Umfragen hat in 25 Prozent der Haushalte ein Familienmitglied seine Arbeit verloren.
3 1999 betrug die Bruttoauslandsverschuldung 39,8 Prozent des BIP.
4 Nur Ekuador (8,8 Prozent) und Brasilien (6,3 Prozent) übertreffen Kolumbien in dieser Hinsicht.
5 Selbst die Weltbank mußte das letztere in ihrem »Bericht über die Weltentwicklung 2000/2001« zugeben. Die Hälfte der Menschheit lebt von weniger als zwei Dollar am Tag und ein Fünftel von weniger als einem Dollar. Die Einkommensverteilung ist extrem ungleich. Das durchschnittliche Einkommen in den 20 reichsten Ländern ist 37mal höher als in den 20 ärmsten Nationen.

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