Sondernummer einer deutschsprachigen kolumbianischen Zeitschrift der
Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens - Armee des Volkes (FARC-EP)
Nr 00, Januar 2000 (Nr 21, Juni - September 1999)
Hitergrund Brief an FARC-EP und
Pastrana: Nicht ohne Grund hat die Regierung Andrés Pastrana im Streben, Abkommen zum Wohl der kolumbianischen Bevölkerung zu schließen, den Dialog mit den FARC-EP zur Staatspolitik erklärt. Auch die Schaffung einer entmilitarisierten Zone, um die Gespräche zwischen Regierung und Guerilla zu entwickeln, ist mehr als eine politische Randerscheinung. In dieser Zone haben sich die repräsentativsten Kräfte Kolumbiens und herausragende politische, parlamentarische, intellektuelle und journalistische Vertreter aus Lateinamerika und anderen Teilen der Welt zusammengefunden. Der Krieger
Hohe Beamte des US-State Departments bestanden zuvor darauf, ein nicht-öffenliches Gespräch mit Vertretern der FARC-EP führen. Die Zusammenkunft fand in Costa Rica statt. So haben all diese Aktionen und Gesten dazu geführt, daß die FARC-EP als gültiger Verhandlungspartner, als ordnungsgemäße und etablierte politisch-militärische Kraft, sowie als für den Fortschritt der Befriedung und der Demokratie in Kolumbien notwendige Institution Anerkennung finden. Neben ihrer bemerkenswerten und unbestreitbaren politischen und militärischen Macht werden die FARC-EP heute allgemein als entscheidender Faktor für die Lösung des sozialen und bewaffneten Konflikts in Kolumbien, als wichtigste politische Opposition gegen das System und seine Regierungen und als wesentliches Element der internen Entwicklung Kolumbiens anerkannt. Die Regierung, die Kirche, die sozialen Organisationen, die Presse, Teile der Streitkräfte, Regierungen und Parlamente anderer Länder sowie Persönlichkeiten aus der ganzen Welt zögern nicht, die FARC-EP als eine reale, verläßliche, aktive und sehr wichtige Kraft in Kolumbien zu betrachten, ohne die alles zum Stillstand kommen oder aber mit der sich alles vorwärts bewegen kann. Während der Gespräche in San Vicente de
Caguan
In diesem Rahmen hat es einen wichtigen Brief von herausragenden Juristen und Spezialisten aus unterschiedlichen Teilen der Welt gegeben. Er war an den Chefkommandanten der FARC-EP, Manuel Marulanda, und an den Präsidenten der Republik, Andrés Pastrana, gerichtet. In dem Schreiben wurde ein für die Zukunft der Gespräche, Verhandlungen oder Abkommen bezüglich des sozialen und bewaffneten Konflikts und ihrer Konsequenzen und Planungen entscheidendes Thema zur Sprache gebracht den FARC-EP den Status als kriegführende Partei zuzuerkennen. Unter anderem wird erklärt, daß der militärische Abzug aus den Bezirken, in denen 1999 die Verhandlungen zwischen Guerilla und Regierung stattgefunden haben, und daß die Anerkennung der FARC-EP als "mit der Regierung verhandelnde politische Kraft", die Anerkennung der aufständischen Organisation "als kriegführende Partei im völkerrechtlichen Sinnen bedeuten muß. Weiter heißt es, daß "mit den Dekreten des Präsidenten die Entmilitarisierung eines Teils des Staatsgebiets, auf den man sich als Zone für die direkten Gespräche geeinigt hatte, angeordnet wurde und daß die Guerilla in diesen Dekreten ausdrücklich als politischer Verhandlungspartner oder kriegführende Partei anerkannt wird." Der Brief behandelt mehrere wichtige Punkte. Es wird darauf hingewiesen, daß "die in den Genfer Konventionen, besonders im Zusatzprotokoll 1, festgelegten Bedingungen bezüglich der Anerkennung von Mitgliedern der bewaffneten Kräfte einer politischen aufständischen Partei als "legitime Kämpfer" folgende sind: a) Sie müssen eine für den Gegner bekannte Uniform tragen, b) sie müssen die Waffen offen tragen, c) sie müssen unter einem verantwortlichen Kommando stehen, d) sie müssen die Gesetze und Gepflogenheiten des Krieges respektieren." Hiervon ausgehend zeigen die Juristen in dem Brief auf, daß "die Militanten der FARC-EP, ganz im Sinne des Rechts, als 'legitime Kämpfer' einer aufständischen Kraft, die tatsächlich existiert und im kolumbianischen Staat anerkannt ist, zu gelten haben. [...]" In der Tat wird seit einiger Zeit schon täglich bewiesen, daß die Kommandanten und Kämpfer der FARC-EP uniformiert auftreten, daß sie ihre Waffen (vor allem im Kampf) offen tragen. Die Guerilleros verfügen über Kenntnisse der Kriegsführung und den entsprechenden ethischen Normen, was sie auch bewiesen, als sie, wie allgemein bekannt ist, Soldaten des kolumbianischen Heers im Kampf gefangennahmen, sie entsprechend der Genfer Konvention behandelten und freiließen. Die Wahrheit ist, daß die Mitglieder der FARC-EP, um den internationalen Begriff zu gebrauchen, nichts anderes als "legitime Kämpfer" sind. Zum Beispiel haben die FARC-EP eine komplette Struktur, Normen und sonstige Eigenschaften, die sie in jeder Hinsicht zu einer wirklichen kriegführenden Partei machen. Klare militärische Hierarchien: Angehörige der
FARC-EP
Anfang 1999 in San Vicente de Caguan. AP Zudem erzeugen ihre bewaffneten Aktionen, der Aufbau einer breiten sozialen Basis, die Konfronta-tionen mit regulären Truppen, ihr politischer Einfluß im Land, ihre Zugehörigkeit zu regionalen und internationalen Instanzen, wo sie als politisch-militärische Gruppierung anerkannt sind, ihre Kontakte mit den staatlichen Kräften etc. ein sehr klares Bild einer kriegführenden Partei, das sich beispielsweise in nichts von den Erfahrungen anderer aufständischer Organisationen, die diesen Status bei bewaffneten Kämpfen in Mittelamerika hatten, unterscheidet. Die FARC-EP können Statuten, eine Disziplinarordnung und interne Kommandonormen vorweisen, sie haben mit den Nationalkonferenzen eine Diskussions- und Entscheidungsinstanz, sind organisch strukturiert (Trupps, Guerillas, Kompanien, Kolonnen, Front, Block, Stäbe), sie haben zentrale Kommandos mit entsprechenden Vorgesetzten und eine klare interne militärische Hierarchie mit Rangstufen, die analog zu denen der regulären Streitkräfte sind. In ihren internen organisatorischen und politischen Dokumenten haben die FARC-EP ein klares Normengefüge bezüglich des Verhältnisses zur Zivilgesellschaft und des Respekts ihr gegenüber, bezüglich der Behandlung von Kriegsgefangenen und bezüglich der Verbindungen zur Gesellschaft. Die Analyse von internationalen Konventionen und Normen, des internationalen Rechts, die Erfahrungen der UNO und die Betrachtung der kolumbianischen Guerilla-Realität führen zu einem eindeutigen Schluß. Politisches oder bürokratisches Zögern des Establishments oder extrem konterrevolutionäre oder hartnäckig blockierende Positionen, nationaler und internationaler Druck mit dem Zweck, die politische Lösung des sozialen und bewaffneten Konflikts zu verhindern, all dies könnte den unverzichtbaren Schritt, aus den FARC-EP eine kriegführende Partei zu machen, verzögern. Zu denken, daß dies lediglich ein formeller oder propagandistischer Schritt ist, zeugt von politischer Blindheit und vom völligen Unverständnis von Befriedungs- oder Dialogprozessen inmitten eines bewaffneten Konflikts. Wären die FARC-EP rechtlich eine kriegführende Partei, hätte dies bestimmenden Einfluß auf die Gespräche, auf den Diskussionsplan, auf die Bedingungen, wie sich der Krieg entwickelt, auf die Respektierung der Menschenrechte, auf die Anwendung der [Rechts-]Normen, wovon die Kriegsgefangenen und die Zivilbevölkerung profitieren würden, auf Fortschritte im Friedensprozeß und auf alles, was mit der Suche nach einem neuen Kolumbien, in dem das Kräfteverhältnis stärker zugunsten der Guerilla ausfällt, zusammenhängt. Die FARC-EP sind, im positiven Sinne des Wortes, eine Macht. Sie sind militärische Macht, politische Macht, soziale Macht, ideologische Macht, diplomatische Macht, Entscheidungsmacht. Dies wird überall und in allen Gesellschaftsschichten anerkannt. Dies wissen Feinde und Freunde und erkennen es an. Wie gesagt, ihr Handeln und ihre Organisation sind der Beweis dafür, daß sie eine entscheidende Macht in der Realität des Landes darstellen, die FARC-EP sind ein elementarer Teil des Schicksals Kolumbiens. Aus diesen Gründen ist die Frage der Anerkennung der FARC-EP als kriegführende Partei ein noch zur Entscheidung stehendes, dringendes und unumgängliches Thema in der Entwicklung Kolumbiens. |