Sondernummer einer deutschsprachigen kolumbianischen Zeitschrift der
Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens - Armee des Volkes (FARC-EP)
Nr 00, Januar 2000 (Nr 21, Juni - September 1999)
Hintergrund Paramilitarismus: Mittel des Staates zur Aufstandsbekämpfung Bei dem folgenden Text handelt es sich Auszüge aus dem Dokument, das von den FARC-EP der Regierung Andrés Pastrana übergeben wurde und eindeutig den Ursprung und die Entwicklung der sogenannten paramilitärischen Kräfte darlegt, die nichts anderes als eine Ausweitung des schmutzigen Krieges der offiziellen Streitkräfte darstellen. In der Zeit der "Violencia" ("Gewalt") der fünfziger Jahre waren die "Galgenvögel" oder "Revolverhelden", die von der damals regierenden Konservativen Partei als staatliche Strategie direkt geführt wurden, berüchtigt und gefürchtet. Mit ihrer Hilfe rechneten die Konservativen mit ihrem politischen Gegner, der Liberalen Partei, ab und bemächtigte sich des Bodens, der den Bauern weggenommen wurde. Damit begann eine Welle der Gewalt gegen Bauern, die der liberalen Richtung angehörten. Die Hegemonie der Konservativen sollte gefestigt werden. Mit der Ermordung des Führers der Liberalen, Jorge Eliécer Gaitan, im Jahre 1948 wurde ein Bürgerkrieg entfesselt, der die "Violencia" auslöste, 300 000 Tote und zwei Millionen Vertriebene hinterließ. Der Kampf zwischen Liberalen und Konservativen war nur ein Vorwand für die Ausweitung des Großgrundbesitzes und dafür, daß, gestützt auf die institutionelle Gewalt und die politischen Autoritäten, die Großgrundbesitzer daraus den größten ökonomischen und politischen Nutzen zogen. Die Gewalt trug wirkungsvoll dazu bei, Reichtum zu schaffen und eine politische und regionale Neuordnung durchzusetzen. Die schmutzige Arbeit erledigten die als "Galgenvögel" bezeichneten Paramilitärs jener Epoche, die als "ziviler" Arm der Armee fungierten. Ihre Arbeit verlief stets nach demselben Muster. Zuerst drangen Soldaten und Polizisten in ein Dorf ein. Sie entwaffneten die Bevölkerung, und im Morgengrauen des folgenden Tages erschienen die "Galgenvögel", um Menschen umzubringen und ein Terrorregime zu errichten. So funktionieren die althergebrachte Kampfformen des kolumbianischen Staates. Im Jahre 1957 einigten sich die Liberalen und Konservativen in einem Pakt darauf, sich alle vier Jahre in der Macht abzuwechseln. Dieses Modell erhielt den Namen "Nationale Front". Mit den unterzeichneten Abkommen wurde nicht nur ein Mantel der Straflosigkeit über die Grausamkeiten gebreitet, die das Regime in den Jahren zuvor begangen hatte, sondern auch die beste Form gefunden, um die Enteignung und den Landraub an Tausenden vertriebenen Bauern zu legalisieren. Damit wuchs der Latifundismus in Kolumbien. Die parainstitutionelle Gewalt hat nicht zum Ziel, die Gesellschaft umzuwandeln, sondern ihr Funktionieren zu garantieren, zu vervollständigen und zu ergänzen, wenn der Staat auf Grund der Beschränkungen, die ihm auf allen Ebenen auferlegt sind, nicht in der Lage ist, dies zu tun. Parainstitutionell ist sie in dem Sinne, als daß sie den Zielen der existierenden Ordnung nahesteht und sich der Unterstützung der institutionellen Organisation verschreibt. Der aktuelle Begriff "paramilitärisch" ist üblich, um die verschiedenen Formen zu erfassen, die die Gruppen der Privatjustiz, Todesschwadrone, Banden von Auftragskillern, oder "Selbstverteidigungsgruppen" angenommen haben, die in den letzten 15 Jahren in Kolumbien operieren. Bekannt sind mehr als 350 Namen solcher Gruppierungen, die auftauchen und verschwinden, ohne Spuren zu hinterlassen, nachdem sie ihre Aufgabe erfüllt haben: die Aussonderung und Ermordung ihrer Opfer, die Vertreibung großer Teile der Bevölkerung und die Verbreitung von Terror. Dieses Auftauchen und Verschwinden hat es nicht nur erleichtert, ihre wahre Identität zu schützen, sondern im besonderen auch die ihrer Hintermänner und die Interessen, die sie verfolgen. Dem Staat hat all dies ermöglicht, auch wenn er seine direkte Verantwortung und Komplizenschaft - durch aktives Handeln oder Passivität - mit diesen Mördern leugnet. Vor allem aber hat es dazu gedient, die Erkenntnisse über den Paramilitarismus in Kolumbien und seine engen Verbindungen mit dem Drogenhandel, mit Kreisen der privaten Unternehmer und einer breiten Schicht von Militärs, die bis in die achtziger Jahre zurückreichen, zu behindern. Der Wissenschaftler Carlos Alberto Quiz hat den Mut, festzustellen, daß die Paramilitärs "aus dem Staat entstanden sind, wie die Anordnungen zeigen, die diese Strukturen geschaffen haben und in Gang setzten; nach seinen Anweisungen entwickelten sie sich, in seiner Ideologie der Nationalen Sicherheit sind sie erzogen worden. Vom Staat erhielten sie Waffen und Hilfe für die Erarbeitung ihrer Statute und die Anwerbung der Söldner. Die Streitkräfte und ein großer Teil der zivilen Autoritäten schützen ihr Vordringen in den Regionen, bürgen für ihr politisches Bild und garantieren ihnen Straffreiheit für ihre Verbrechen. Vom Staat hängt die Lebensfähigkeit dieser Organisationen ab, die keineswegs, wie man suggeriert, auf eigene Faust handeln." In diesem Sinne bekräftigt das Buch "Auf den verwischten Spuren des schmutzigen Krieges in Kolumbien", eine Studie, die im Auftrag von sechs Nichtregierungsorganisationen in Brüssel erarbeitet wurde, daß das Phänomen der Paramilitärs keine isolierte Erscheinung ist, sondern Staatspolitik, die klar und bewußt innerhalb der kolumbianischen Streitkräfte definiert wurde, in den Handbüchern der militärischen Institutionen enthalten ist und mit Kenntnis und Förderung der jeweiligen Regierungen verfolgt wird. Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß in Archiven und Büros staatlicher Ämter seit Jahren Beweise für die Verbindungen zwischen den verbrecherischen Aktionen der Paramilitärs und zahlreichen Militärs zurückgehalten werden. Das schließt auch Erklärungen von Deserteuren ein, die hohe Offiziere der Armee oder Polizei bloßstellen, die heute befördert und mit Orden ausgezeichnet sind. Die Straflosigkeit macht sich über die Opfer lustig. Diese Praxis der parainstitutionellen Gewalt hat jede organisierte Äußerung der Gesellschaft bestraft und zerschlagen, sie hat in den letzten zehn Jahren mehr als 1,2 Millionen Menschen von ihrem Land vertrieben, die sich in die Städte geflüchtet haben und deren Boden an andere Besitzer gefallen ist. Meist an Helfershelfer des Paramilitarismus oder des Drogenhandels. |